Meine Bücher im Herbst – Teil 2

Hier kommt die Herbstschau – Teil 2. Der September war ein bunter Lesemonat. Von einem spannenden Thriller, über einen Familienroman bis hin einem Essay über das Allein sein war alles dabei.

Daniel Schreibers Essay „Allein“ erkundet Einsamkeit in der Pandemie. Das Persönliche verwebt er geschickt mit dem Gesellschaftspolitischen. Der Schriftsteller ist einer von 17,5 Millionen Menschen in Deutschland, die allein leben und schaut in seinem neuen Buch, wie er die letzten anderthalb Jahre allein verbracht hat und warum das Allein sein in der Gesellschaft immer noch als noch als Scheitern gilt. Das Persönliche verwebt er geschickt und unverkrampft mit kulturhistorischen Reflexionen und ak­tuel­len wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Psychologie, Sozialforschung, Queer Studies und Medizinwissenschaft. Ich fand Schreibers Reflektionen sehr inspirierend und habe mich in vielem sehr wiedergefunden.

Caroline Rosales beschäftigt sich in ihrem Debütroman mit der Frage, warum Frauen jenseits der vierzig oder fünfzig in unserer Gesellschaft zunehmend unsichtbar werden. Mit Melanie hat eine Romanfigur erschaffen, die versucht, mit all den Widersprüchen und Zumutungen für Frauen, die nicht mehr „jung“ sind, zurechtzukommen. Melanie ist erfolgreiche Journalistin, sie ist Mutter einer Tochter, die ganz anders ist, als Melanie sich das gewünscht hätte. Und Melanie ist die Tochter einer zunehmend pflegebedürftigen Mutter, zu der sie ein angespanntes, von früheren Verletzungen geprägtes Verhältnis hat. Als LeserInnen sind wir ZeugInnen, wie Melanies an der Oberfläche erfüllt und glamourös scheinendes Leben nach und nach Kratzer bekommt und Melanie sich einem Abgrund nähert.

Dann habe ich mir zum Ende des Septembers noch den lang erwarteten neuen Thriller von Yassin Musharbash gegönnt. In seinem neuen Politthriller geht es um die Macht der Fake News, die Gefahren von Desinformation und Lügenkampagnen, über die Grenzen des Journalismus und über Berlin als ewige Hauptstadt der Spione. Wir folgen wieder Merle Schwalb in ihrem Alltag als Investigativjournalistin. Ihr fällt beim Essen in Neukölln ein Mann neben den Tisch. Kein Racheopfer im Clan-Alltag, sondern ein Russe, ein Agent. Mit ihren Zeitungskollegen nimmt Schwalb eine gefährliche Recherche auf und erlebt, wie die russischen Akteure mit ihrem Mix aus Ködern, falschen Fährten, Desinformation und Information eine explosive Mischung anrichten. Der Plot ist spannend, gut konstruiert und packend. Definitiv eine Leseempfehlung.

Douglas Stuart; „Shuggie Bain“; Hanser, Berlin; 2021; 496 Seiten; 26 Euro

Daniel Schreiber; „Allein“; Hanser; Berlin 2021; 160 Seiten; 20 Euro

Caroline Rosales; „Das Leben keiner Frau“; Ullstein Hardcover; 30. August 2021; 240 Seiten; 22 Euro

Yassin Musharbash; „Russische Botschaften“; Kiepenheuer & Witsch; 2021; 398 Seiten; 16 Euro

Charlotte Wood, Ein Wochenende; Kein&Aber-Verlag; 2020; 288 Seiten; 22 Euro

Meine Bücher im Herbst – Teil 1

Die letzten Wochen waren sehr gut gefüllt mit den alltäglichen Dingen des Lebens aber auch mit dem Lesen einiger neuer Herbsterscheinungen, auf die ich schon lange gewartet habe. Nur der Blog hier kam etwas zu kurz, weshalb ich mit dem folgenden Post meine Leseerlebnisse aus dem August und September zusammenzufassen.

Im August hat mich Matthias Nawrats „Reise nach Maine“ besonders beeindruckt, vielleicht, weil ich auch gerade eine Reise mit meiner Mutter geplant hatte und nun schon mal einen Ausblick erhalten wollte, wie sich das denn wohl ausgehen würde.

Im Sommer 2018 begibt sich der Erzähler mit seiner Mutter auf eine Reise. Die beiden leben nicht mehr in der gleichen Stadt. Der Vorwurf der einsamen Mutter, der Sohn verbringe nicht gern Zeit mit ihr, mag ein Grund dafür gewesen sein, dass er dem Trip überhaupt zugestimmt hat. Geplant ist, eine Woche gemeinsam in New York zu verbringen, später eröffnet die Mutter ihm dann, dass sie ihn auch noch auf seiner Reise nach Maine begleiten wolle. Angekommen im Apartment in New York bricht sich seine Mutter die Nase und aus der Wut über die ungewollte Einmischung wird nach und nach Sorge über das Wohlergehen der Mutter. Die beiden entdecken nicht das touristische New York und später Maine, sondern halten sich in Krankenhäusern oder Wohnungen von Bekannten auf. Durch das Buch zieht sich subtil die immer wieder aufbrechenden Verwerfungen zwischen Mutter und Sohn, die enttäuschten Erwartungen. Dennoch hinterlässt es einen am Ende in einer leicht melancholisch und dennoch positiven Stimmung.

Ebenfalls angetan hatte es mir im August Hernan Diaz „In der Ferne“. Diaz erzählt die Geschichte von Hakan, einem schwedischen Einwanderer im 19 Jahrhundert, der auf der Überfahrt nach Amerika seinen Bruder verliert und ihn Zeit seines Lebens sucht und dafür den Kontinent von San Francisco nach New York durchquert. Diaz entfaltet die Geschichte in einer bildgewaltigen Sprache, die einen in die monumentale Natur des amerikanischen Kontinents hineinzieht.

Matthias Nawrat; „Reise nach Maine“; 2021; Rowohlt Verlag; 218 Seiten, 22 Euro

Johanna Adorján; „Ciao“; Kiepenheuer & Witsch; 2020; 272 Seiten; 20 Euro

Marina Heib; „Die Stille vor dem Sturm“; Pendragon Verlag; 2020; 400 Seiten; 18 Euro

Hernan Diaz; „In der Ferne“; Hanser Berlin 2021; 304 Seiten; 24 Euro

Julia Korbik; „Bonjour Liberté. Françoise Sagan und der Aufbruch in die Freiheit“; Carl Hanser Verlag; München 2021; 304 Seiten; 20 Euro

Amos Oz; „Judas“; Suhrkamp Verlag 2015; 22,95 Euro

Dara Horn; „The eternal life“; W. W. Norton & Company; 2018; 256 Seiten; 18 Euro

Meine Sommerlektüre

Der Sommer neigt sich schon fast wieder dem Ende entgegen. Die Tage werden kürzer, die Nächte kühler und ich komme nach Urlauben und langen Wochenenden an Brandenburger Seen nun auch mal wieder dazu, meine Sommerlektüre zu rezensieren.

Nach einer Empfehlung meiner Lieblingsbuchhändlerin habe ich nun endlich Tove Ditlevsen gelesen und bin schwer begeistert. Ich habe die drei Bände der Kopenhagen Trilogie direkt in einem Rutsch gelesen. In Dänemark ist Tove Ditlevsen seit Jahrzehnten eine bekannte Schriftstellerin und nun hat sie auch postum hier in Deutschland Bekanntheit erlangt. In der Kopenhagen Trilogie schildert sie minutiös ihr Aufwachsen im Kopenhagener Armutsviertel, ihre frühe Liebe zu Büchern ganz besonders der Lyrik and ihren Wunsch, ein Buch zu veröffentlichen, der sie immer wieder antreibt.

Tove Ditlevsen erzählt nah am inneren Erleben. Es gibt fast keine Lücke zwischen Ereignis und Erlebnis. Man folgt ihr gern, auch an die dunklen Orte von Abtreibung, Alkohol und Drogensucht. Es sind drei wunderbare schmale Bücher, die ich uneingeschränkt empfehlen kann.

Lang nachgehallt hat in mir auch Helga Schuberts „Vom Aufstehen“, eine Sammlung an Geschichten, die ihr Leben erzählen. Gleich mit der ersten Geschichte aus ihrer Kindheit, in der Hängematte liegend im Garten ihrer Großmutter zwischen zwei Apfelbäumen, wo ihr am ersten Tag der Sommerferien nach dem Mittagsschlaf der Duft von Streuselkuchen in die Nase stieg, hat sie mich sofort in ihren Bann gezogen. Ihr ganzes Leben ist geprägt von der nicht liebesfähigen, distanzierten Mutter, um deren Liebe und Zuneigung Helga Schubert doch ringt. Sie beschreibt in sanftmütiger Beharrlichkeit ihr Aufwachsen in der DDR, ihre ersten schriftstellerischen Erfolge und den Mauerfall, der als Befreiung aus der DDR wahrgenommen wurde. Es ist ein sanftes Buch, in dem kein Wort zu viel ist und das mir lange als Gefühl geblieben ist.

Lang erwartet habe ich Daniela Kriens neues Buch „Der Brand“. Darin erzählt sie mit einem gnaden-, aber nie mitleidlosen Blick ein, was ein Eheleben aushalten muss. Ich kann sagen, es ist definitiv so gut wie der Vorgänger „Die Liebe im Ernstfall“. Rahel und Peter heißen dessen Protagonisten, ein in Dresden lebendes Paar, das auf bald 30 Ehejahre zurückblickt und, so scheint es, langsam auf einen unaufgeregten Lebensabend zusteuert. Eine Stornierung in letzter Minute zwingt die beiden ihre Urlaubspläne zu ändern und statt in Oberbayern zu wandern, sich um den maroden Hof einer Freundin in der Uckermark zu kümmern. Drei Wochen verbringt man dort, drei Wochen, die den Roman strukturieren und alles, was diese Ehe an latenten Problemen aufweist, schrittweise ans Tageslicht bringen. Zwischen nachlassendem sexuellen Interesse, Schwierigkeiten im Beruf, anstrengenden Kindern spürt man doch immer wieder die Liebe und Zuneigung der beiden und ihr Wunsch, einander und ihre Beziehung nicht aufgeben zu wollen. Beide suchen nach einem Weg, ihre Ehe weiterzuleben und dabei auch den veränderten, individuellen Bedürfnissen Raum zu geben. Daniela Krien gelingt es in schlichter Sprache, weitestgehend ohne Stereotype, spürbar zu machen was in diesen mit sich und der Welt ringenden Figuren vor sich geht. Fazit: Unbedingt lesenswert.

Hier sind all meine Sommerbücher:

Tove Ditlevsen; „Kindheit“; Aufbau Verlag, 2020. 118 Seiten, 18 Euro

Tove Ditlevsen; „Jugend“; Aufbau Verlag, 2020. 125 Seiten, 18 Euro

Tove Ditlevsen; „Abhängigkeit“; Aufbau Verlag, 2020. 130 Seiten, 18 Euro

Jemma Wayne; „Der silberne Elefant“, Eisele Verlag, 2021, 432 Seiten, 25 Euro

Angela Lehner; „Vater Unser“; Hanser; 2020; 288 Seiten, 11 Euro

Laura Karasek; „Drei Wünsche“; Eichborn Verlag; 2019; 368 Seiten; 20 Euro

Helga Schubert; „Vom Aufstehen. Ein Leben in Geschichten“; dtv, München; 2021; 222 Seiten; 22 Euro

Young-ha Kim; „Aufzeichnungen eines Serienmörders“Cass Verlag, Bad Berka 2020; 152 Seiten; 20 Euro

Jovana Reisinger; „Spitzenreiterinnen“; Verbrecher Verlag; Berlin 2021; 270 Seiten; 20 Euro

Daniela Krien; „Der Brand“; Diogenes; Zürich 2021; 272 Seiten; 22 Euro

Meine Bücher im April

Die Zeit rast und ich komme erst jetzt dazu, einmal kurz meine Bücher vom April vorzustellen.

Wer gern etwas über Hannah Ahrendt als eine der wichtigsten Denkerinnen und Philosophinnen des 20. Jahrhunderts erfahren möchte, Biographien aber oft als etwas zu trocken und langatmig empfindet, ist bei Hildegard Keller genau richtig. Am Ausgangspunkt des Romans bricht Hannah Arendt auf zu ihrer letzten Sommerreise ins Tessin im Juli 1975. Auf dieser Erzählebene folgt Keller den Spuren der Sehnsuchtsreisenden Arendt, die in Tegna bei Locarno seit 1969 ihr Refugium gefunden hatte. In einem zweiten Handlungsstrang umkreist sie die Vorgeschichte der erregten Debatte um das Eichmann-Buch und lässt in erfundenen Dialogen Freunde und Weggefährten der Heldin auftreten. Das ist spannend erzählt und lässt einen Hannah Ahrendt besser kennenlernen.

Als große Südtirol Liebhaberin habe ich auch Marco Bolzanos „Ich bleibe hier“ gern gelesen. Marco Bolzano erzählt die fiktive, aber realitätsnahe Geschichte der Volksschullehrerin Trina und anhand ihrer die Geschichte Südtirols im 20. Jahrhundert. Trina, in Graun, einem kleinen Dorf aufgewachsen, möchte dort mit Mann und ihren beiden Kindern bleiben. Die Politik reisst die Familie jedoch auseinander. Die Tochter schließt sich heimlich der Schwägerin an und entscheidet sich, nach Deutschland zu gehen, der Sohn wird begeisterter Hitler Anhänger.

Marco Balzanos Roman „Ich bleibe hier“ ist eine Erzählung über Verluste, über den Verlust eines Kindes, eines Dorfes, einer Heimat, einer regionalen Identität. Es ist zugleich aber auch eine Erzählung über den Widerstand.

„Sag den Wölfen, ich bin zuhause“ hatte ich schon lange zuhause auf meinem Nachtisch, bevor ich es kürzlich, wie im Sog gelesen habe. Zu Recht zum Buch des Jahres vom Wallstreet Journal gewählt, erzählt Brunt die Geschichte von June, die ihren engsten Vertrauten, Onkel Finn verliert. Die Geschichte spielt in den 80-er Jahren, in denen Aids noch eine tabuisierte Krankheit war über die man nicht sprach. June verliert ihren Onkel und gewinnt auf der anderen Seite einen neuen Freund hinzu. Es ist eine Geschichte über Freundschaft und Mitgefühl, manchmal hart an der Grenze zum Kitsch aber dennoch unbedingt lesenswert.

Hildegard Keller; „Was wir scheinen“; Eichborn Verlag, Köln 2021; 544 Seiten, 24 Euro

Marco Bolzano; „Ich bleibe hier“; Diogenes Verlag, Zürich 2020; 288 Seiten, 22 Euro

Carol Rifka Brunt; „Sag den Wölfen, ich bin zuhause“; Eisele Verlag; 480 Seiten; 12 Euro

Ottessa Moshfegh; „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“; Liebeskind; München 2018; 316 Seiten; 22 Euro

Meine Bücher im März

Meine gelesenen Bücher im März könnten unterschiedlicher nicht sein: Ein Identitätssuchebuch, ein Kriminalroman, eine Dystopie und ein Beziehungsroman. Es ist also für jeden was dabei und ich muss sagen, alle Bücher haben mich auf eigene Weise begeistert.

Mirna Funk erzählt in „Zwischen Du und Ich“ von Nike, einer in Berlin lebenden Jüdin, die nach Tel Aviv geht, um ihre jüdische Identität besser zu verstehen aber auch um ein persönliches Trauma endlich verarbeiten zu können. Es passiert einiges auf den 302 Seiten und das Ende kommt überraschend. Hier ist sicher noch nicht alles auserzählt.

Wer sich für die potentiell technik-gesteuerte Zukunft interessiert, ist bei Artur Dziuks „Das Ting“ genau richtig. Artur Dziuk hat für seinen futuristischen Debütroman „Das Ting“ erfunden. Das ist eine Optimierungs-App, die ihre Anwender mit klugen Lebensratschlägen versorgt – ihnen aber auch schleichend Denken und Fühlen abnimmt. Hier hält die Spannung bis zum Schluss.

Spannend erzählt Candice Fox auch in „Dark“ von vier ganz unterschiedlichen Frauen, die zusammenfinden, um das Leben einer Fünften zu retten. Schauplatz ist das dunkle, verkommene Los Angeles. Ein guter Page Turner, der die hohe Spannung hält.

Am meisten begeistert hat mich im März Kühmels Debütroman „Kintsugi“. Die Handlung ist schnell erzählt: Ein schwules Paar, der ältere Freund und dessen Tochter treffen sich im Wochenendhaus in der Uckermark, um die 20-jährige Beziehung von Reik und Max zu feiern. Doch unter der harmonischen Oberfläche brodelt es. Abwechselnd erzählen die Vier in langen Monologen die Vorgeschichten ihrer Beziehungen. Dabei schafft es Kühmel die vier Protagonisten nachvollziehbar und glaubwürdig von ihren Gefühlen und Gedanken erzählen zu lassen. Das entfaltet eine Sogwirkung, der ich mich nicht mehr entziehen konnte. Kühmels Roman ist ein psychologisch raffiniertes Kammerspiel im Quadrat und eine ganz klare Leseempfehlung.

Mirna Funk „Zwischen Du und Ich“; dtv; München 2021; 302 Seiten; 22 Euro

Artur Dziuk „Das Ting“; dtv; München 2020; 444 Seiten; 18 Euro

Miku Sophie Kühmel „Kintsugi“; S. Fischer; Frankfurt a.M. 2019; 297 Seiten; 21 Euro

Candice Fox „Dark“; Suhrkamp; Berlin 2020; 394 Seiten; 16 Euro

Meine Bücher im Februar

Nun ist der März schon wieder halb ins Land gegangen bevor ich dazu gekommen bin, auf meine Februarlektüre zurückzuschauen. Vier Bücher sind es geworden und ich spüre, dass es mir nach Monaten im Lockdown in dieser Pandemie irgendwie schwerer fällt, mich auf`s Lesen zu konzentrieren und auch Entspannung zu finden.

Bei zwei von den unten stehenden vier Büchern ist es mir allerdings gut gelungen. David Schalkos „Bad Regina“ ist wunderbar verschroben, abgründig und aberwitzig. Unschwer lässt sich in Bad Regina das damalige und heutige Bad Gastein erkennen. Einst wegen seiner Thermalquellen berühmt, im 19. Jahrhundert zum mondänen Sommerkurbad Europas aufgestiegen mit majestätischen Belle-Époque-Hotelbauten, die in dieser Größe nach Wien und Berlin passen, aber eigentlich nicht in ein kleines Dorf an einem Alpenhang. Heute von urbanen Hipstern aus Berlin und Wien in einen Ort mit leicht heruntergekommenen Designhotels verwandelt.

In dieser Kulisse entspinnt sich die aberwitzige Handlung um die noch verbliebenen 46 Einwohner und den zwielichtigen chinesischstämmigen Immobilienunternehmer Chen, der die Häuser des Ortes von den Einwohnern nach und nach aufkauft. Das macht einfach Spaß zu lesen und ist wunderbar zerstreuend.

Das zweite Buch, das mich im Februar begeistert hat, war Dolly Aldertons „Gespenster“. Alderton erzählt vom typischen Leben der Mitdreißiger in der Großstadt. Das Buch hat alles, was man sich so vom einem Zeitgeist-Buch wünscht: eine sympathische Protagonistin, eine beste Single-Freundin, Familienprobleme und natürlich die besten Dating-Geschichten. Dolly Aldertons Gespenster ist ein smartes, zeitweise bewegendes Buch über alle möglichen Arten und Unarten moderner Beziehungen. Diese, die dich hoffen lassen und diese, die dich erwachsen werden lassen. Modern. Cool. Lesen!

David Schalko, „Bad Regina“ Kiepenheuer & Witsch, Köln 2021. 400 Seiten, 24 Euro

Dolly Alderton, „Gespenster“, Hoffmann und Campe, 2020, 384 Seiten, 22 Euro

Nora Bossong, „Schutzzone“, Suhrkamp Verlag, Berlin, 336 Seiten, 24 Euro

Joey Goebel, „Irgendwann wird es gut“, Diogenes, 2019, 320 Seiten, 14 Euro

Meine Bücher im Januar

Es ist Ende Januar und die Corona Pandemie hat unser Leben weiterhin fest im Griff. Ich wollte mich gern auch literarisch mit dem Thema Pandemie und deren Auswirkungen auf die menschliche Gesellschaft beschäftigen und habe deshalb John Ironmongers „Der Wal und das Ende der Welt“ für mich entdeckt. In dem 2015 geschriebenen Roman geht um eine Pandemie und eine globale Krise. Ein junger Mann wird eines Tages am Strand eines kleines Dorfes angespült und rettet im Laufes des Romans erst einen Wal und dann das ganze Dorf. Wie reagieren Gemeinschaften auf Krisen, diese Frage stellt John Ironmonger in seinem Buch und der Autor gibt eine zuversichtliche Antwort: Die Welt entdeckt ihre Fähigkeit zur Menschlichkeit wieder. Ein tröstliches Buch, gerade wenn man sich dieser Tage öfter fragt, wann die Pandemie endlich vorbei ist und halbwegs normales Leben wieder möglich sein wird.

Was ist Stille? Wo ist sie? Warum ist sie heute wichtiger denn je? Lange hat Erling Kagge sich mit diesen drei Fragen beschäftigt. Angeregt durch Freunde und Wegbegleiter wie Marina Abramoviã, Jon Fosse, Elon Musk und Oliver Sacks, ist er in seinem Buch zu dreiunddreißig Antworten gekommen. Entstanden ist ein Wegweiser für den modernen Menschen auf seiner Suche nach Stille, Ruhe, Frieden – überall dort, wo es laut ist. „Stille“ ist ein kleines, feines Buch, mit schönen Bildern illustriert, das lange nachhält und einem dabei hilft, in dieser Zeit mental gesund zu bleiben.

Franny hat ihr ganzes Leben am Meer verbracht. Als die Vögel zu verschwinden beginnen, beschließt die Ornithologin den letzten Küstenseeschwalben zu folgen. Mit einem der letzten Fischerboote macht sie sich auf den Weg in die Antarktis, allein die Vögel sind ihr Kompass. In „Zugvögel“ beschreibt Charlotte McConaghy die Reise und Suche einer jungen Klimaaktivistin nach den letzten Küstenseeschwalben und damit auch nach Hoffnung auf Rettung der Natur und aussterbenden Tiere.

John Ironmonger „Der Wal und das Ende der Welt“, S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2019, 480 Seiten, 22 Euro

Erling Kagge, „Stille. Ein Wegweiser“, Insel Verlag, 2017, 144 Seiten, 14 Euro

Charlotte McConaghy, „Zugvögel“, S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2020, 400 Seiten , 22 Euro

Siri Hustvedt, „Memories of the Future“, Simon & Schuster, 2019, 318 Seiten, 27 Dollar

Meine Bücher im Dezember

Im Dezember habe ich neben Weihnachtsgans und Plätzchen nur vier Bücher geschafft zu lesen. Besonders Annette Mingels „Dieses entsetzliche Glück“ hat bei mir lange nachgewirkt.

Mingels schreibt in kurzen Kapiteln von einer brüchigen amerikanischen Kleinstadtidylle und von Menschen auf der beständigen Suche nach Nähe und Geborgenheit. Die Menschen, um die es geht, haben es entweder zu etwas gebracht oder stehen am Beginn vielversprechender Karrieren. Mingels erzählt vom Leben der amerikanischen Mittelschicht allerdings ohne politischen Bezug. Ihre Protagonisten leben in abgesicherten Verhältnissen, Geld ist nicht das Problem. Die Unzufriedenheit und das Ungenügen scheinen in den Menschen selbst verankert zu sein. Immer wieder haben sie das Gefühl, etwas Wichtiges verpasst oder eine falsche Entscheidung getroffen zu haben. Die vorläufige Lebensbilanz, die sie ziehen, fällt kaum je zur Zufriedenheit aus. Manche wollen ausbrechen aus den bisherigen Lebensbahnen, merken jedoch, dass die einmal eingeschlagenen Wege nicht einfach umkehrbar sind.

Rolf Lapperts „Nach Hause schwimmen“ ist ebenfalls eine Leseempfehlung. Lappert erzählt vom nur 1,50m großen Wilbur scheint vom Pech verfolgt. Seine Mutter stirbt bei der Geburt, seine Großmutter bei einem Unfall und sein bester Freund kommt in eine Besserungsanstalt. Erst die eigensinnige Aimee hilft ihm, sein Leben selbst in den Hand zu nehmen. Die Geschichte ist herzerwärmend und genau das Richtige für die dunklen, kalten Januartage.

Annette Mingels „Dieses entsetzliche Glück“, Penguin Verlag, München 2020, 348 Seiten, 20 Euro

Rolf Lappert, „Nach Hause schwimmen“, Hanser Verlag, 2008, 450 Seiten, 12 Euro

Joceline Saucier, „Was dir bleibt“, Insel, Berlin 2020, 253 Seiten, 22,70 Euro

Stefan Bachmann, „Palast der Finsternis“, diogenes Verlag, 2019, 400 Seiten, 12. Euro

Meine Bücher im November

Nun ist der Dezember schon wieder halb ins Land gegangen bevor ich dazu gekommen bin, meinen November-Rückblick zu schreiben.

Wenn ich gerade so auf meine Lektüre schaue, dann fällt mir auf, dass es wieder einmal neue Authorinnen sind, die ich für mich entdeckt habe. Lily King hatte mich bereits mit „Lovers and Writers“ gut unterhalten, so dass ich gern ihr Debut „Euphoria“ lesen wollte. Hier ist das Thema und Setting völlig anders. Während es in „Lover & Writers“ um eine junge, mittellose Frau auf dem Weg zur Schriftstellerin geht, stehen bei „Euphoria“ drei Ethnologen in Südamerika im Vordergrund. Die schon berühmte und faszinierende Amerikanerin Nell Stone, ihr Mann Fen und der Brite Andrew Bankson – stoßen nach Jahren einsamer Feldforschung aufeinander und entwickeln eine leidenschaftliche Dreiecksbeziehung. Das ist spannend zu lesen auch wenn mich das Setting nicht wirklich gepackt hat.

Wirklich begeistert hat mich im November Judith Schalanskys „Der Hals der Giraffe“. In diesem Roman geht es nur oberflächlich um die Anschauungen der alternden Lehrerin Inge Lohmark nach der Wende. Vielmehr ist der Roman werden im Roman die Themen unserer Zeit: Überalterung, Bildung, Klimawende angerissen, ohne allerdings werten oder zu urteilen. Das Buch ist sehr schön aufgemacht und besticht durch filigrane Illustrationen diverser Tiere. Definitiv eine Leseempfehlung und ich freue mich schon auf die anderen Bücher von Judith Schalansky.

Hier sind nun alle Bücher im November:

Candice Carty-Williams „Queenie“; Aufbau Verlag; 2020; 544 Seiten, 24 Euro

Elsa Koester „Couscous mit Zimt“; Frankfurter Verlagsanstalt 2020; 448 Seiten; 24 Euro

Elisabeth Gilbert „City of Girls“; Fischer Verlag; 2020; 496 Seiten, 17 Euro

Judith Schalansky „Der Hals der Giraffe“. Bildungsroman; Suhrkamp Verlag; Berlin 2011; 222 Seiten; 10 Euro

Lily King „Euphoria“; C.H. Beck; 2015; 262 Seiten, 12 Euro

Meine Bücher im Oktober

Der Oktober war lesetechnisch wieder eine wilde Mischung: Ein spannender Krimi von Jónasson, zwei sehr unterschiedliche Familienromane, ein Lebensratgeber und „Tschudi“, das für mich irgendwie in keine Schublade passt.

In „Tschudi“ erzählt Mariam Kühsel-Hussaini vom Kampf um die Kunst an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert. Held des Romans ist der Berliner Museumsdirektor Hugo von Tschudi, der Werke der Moderne von Manet, Monet oder Renoir nach Berlin holte.

Durch ihre poetisch-expressiven Sprache wirkt der ganze Roman wie ein Gemälde. Die Sätze leuchten wie Farben und man kann die einzelnen Szenen wie Bilder vorm eigenen Auge entstehen sehen. Ein wunderbares Buch, definitiv lesenswert.

Meine Bücher im Oktober:

Mariam Kühsel-Hussaini „Tschudi“; Rowohlt; Hamburg 2020; 320 Seiten; 24 Euro

David Grossmann „Was Nina wusste“; Hanser Verlag; 2020; 352 Seiten; 25 Euro

Ragnar Jónasson; „Nebel“; btb; 2020; 352 Seiten; 15 Euro

James Mc Cain; „Mildred Pierce“; Arche Verlag; 2019; 416 Seiten; 15 Euro

Gretchen Rubin; „Das Happiness Projekt“; Fischer Verlag; 2011; 377 Seiten; 11 Euro

Michael Christie; „Das Flüstern der Bäume“; Randomhouse; 2020; 560 Seiten; 22 Euro