Die Zeit rast und ich komme erst jetzt dazu, einmal kurz meine Bücher vom April vorzustellen.
Wer gern etwas über Hannah Ahrendt als eine der wichtigsten Denkerinnen und Philosophinnen des 20. Jahrhunderts erfahren möchte, Biographien aber oft als etwas zu trocken und langatmig empfindet, ist bei Hildegard Keller genau richtig. Am Ausgangspunkt des Romans bricht Hannah Arendt auf zu ihrer letzten Sommerreise ins Tessin im Juli 1975. Auf dieser Erzählebene folgt Keller den Spuren der Sehnsuchtsreisenden Arendt, die in Tegna bei Locarno seit 1969 ihr Refugium gefunden hatte. In einem zweiten Handlungsstrang umkreist sie die Vorgeschichte der erregten Debatte um das Eichmann-Buch und lässt in erfundenen Dialogen Freunde und Weggefährten der Heldin auftreten. Das ist spannend erzählt und lässt einen Hannah Ahrendt besser kennenlernen.
Als große Südtirol Liebhaberin habe ich auch Marco Bolzanos „Ich bleibe hier“ gern gelesen. Marco Bolzano erzählt die fiktive, aber realitätsnahe Geschichte der Volksschullehrerin Trina und anhand ihrer die Geschichte Südtirols im 20. Jahrhundert. Trina, in Graun, einem kleinen Dorf aufgewachsen, möchte dort mit Mann und ihren beiden Kindern bleiben. Die Politik reisst die Familie jedoch auseinander. Die Tochter schließt sich heimlich der Schwägerin an und entscheidet sich, nach Deutschland zu gehen, der Sohn wird begeisterter Hitler Anhänger.
Marco Balzanos Roman „Ich bleibe hier“ ist eine Erzählung über Verluste, über den Verlust eines Kindes, eines Dorfes, einer Heimat, einer regionalen Identität. Es ist zugleich aber auch eine Erzählung über den Widerstand.
„Sag den Wölfen, ich bin zuhause“ hatte ich schon lange zuhause auf meinem Nachtisch, bevor ich es kürzlich, wie im Sog gelesen habe. Zu Recht zum Buch des Jahres vom Wallstreet Journal gewählt, erzählt Brunt die Geschichte von June, die ihren engsten Vertrauten, Onkel Finn verliert. Die Geschichte spielt in den 80-er Jahren, in denen Aids noch eine tabuisierte Krankheit war über die man nicht sprach. June verliert ihren Onkel und gewinnt auf der anderen Seite einen neuen Freund hinzu. Es ist eine Geschichte über Freundschaft und Mitgefühl, manchmal hart an der Grenze zum Kitsch aber dennoch unbedingt lesenswert.
Hildegard Keller; „Was wir scheinen“; Eichborn Verlag, Köln 2021; 544 Seiten, 24 Euro
Marco Bolzano; „Ich bleibe hier“; Diogenes Verlag, Zürich 2020; 288 Seiten, 22 Euro
Carol Rifka Brunt; „Sag den Wölfen, ich bin zuhause“; Eisele Verlag; 480 Seiten; 12 Euro
Ottessa Moshfegh; „Mein Jahr der Ruhe und Entspannung“; Liebeskind; München 2018; 316 Seiten; 22 Euro