Meine Bücher im Februar

Auch wenn der Februar in diesem Jahr sogar 29 Tage hatte, hab ich es leider trotzdem nicht geschafft, mehr Bücher zu lesen. Vier sind es geworden. Und da waren drei echte Highlights und auch Neuentdeckungen für mich dabei.

Zu Anna Hopes „Was wir sind“ muss ich hier gar nicht mehr so viel sagen, weil ich dazu bereits eine ausführlichere Rezension geschrieben habe.

Ebenfalls schwer begeistert hat mich Jennifer Clements „Gun love“. Lange nicht mehr wurde das Stimmungsbild der amerikanischen Unterschicht so gut, präzise und eindrücklich entworfen. „Gun Love“ erzählt von einer strahlenden Mutter-Tochter Beziehung inmitten eines Trailerparks. Seit 14 Jahren in ihrem alten Mustang wohnend versuchen sie ein normales Leben zu leben und sich nicht unterkriegen zu lassen. Waffen sind dabei allgegenwärtig und führen dann auch zu einer schrecklichen Tragödie, das das Leben aller Beteiligen für immer verändert.

Ende Februar hat es mich sehr glücklich gemacht, „Muldental“, den ersten Erzählband von Daniela Krien als Wiederauflage in den Buchläden zu finden. Lange war ich danach auf der Suche, weil das Buch vergriffen schien. Umso mehr freut mich, dass Daniela Krien den Erfolg und die Anerkennung bekommt, der ihr meiner Meinung nach gebührt. In „Muldental“ erzählt Krien Geschichten von Wendeverlierern, die sich alle so zugetragen haben könnten. Krien fasst in ihrer zurückhaltenden aber nicht minder emphatischen Sprache die Entwurzelung und Ratlosigkeit der Nachwendezeit zusammen.

„Wir lesen gern vom Scheitern – wenn am Ende ein Sieg steht. Wir lieben Geschichten über Menschen, die allen Widerständen zum Trotz das Beste aus ihrem Leben gemacht haben. Meine Helden sind keine Gewinner. Dennoch finden einige von ihnen ihr Glück. Aber auch jene, deren Schicksal ihre Kräfte übersteigt, haben eine Stimme im großen Menschheitslied. Und auch sie verdienen einen Platz in der Literatur.“

Daniela Krien „Muldental“ (Vorwort)

Zu guter Letzt habe ich noch Juan Morenos „Tausend Zeilen Lüge“ über den Aufstieg und Fall Claas Relotius gelesen. Diesen Fall, der den Spiegel und den deutschen Journalismus letztes Jahr so schwer erschüttert hat, habe ich mit viel Interesse verfolgt. Moreno, der Relotius als Geschichtenerzähler enttarnt hat, erzählt die Chronologie der Ereignisse spannend und man erfährt nebenbei einiges darüber, wie Redaktionen eigentlich arbeiten und welche Konsequenzen dieser Fall für die ganze Branche hatte und noch hat.

Anna Hope „Was wir sind“

Was ist aus dem Menschen geworden, der du einmal sein wolltest?

Anna Hope

Anna Hope beschreibt in ihrem Roman das Leben und die Freundschaft von drei ungleichen Frauen in London. Hannah, Cate und Lissa stehen mit Mitte Dreißig an ganz unterschiedlichen Punkten in ihrem Leben. Hannah hat den perfekten Job und den perfekten Mann, nur mit dem schwanger werden will es einfach nicht klappen. Cate ist gerade mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn in die Vorstadt gezogen und findet sich plötzlich in einem Leben wieder, dass sie sich so nie vorgestellt hatte. Lissa scheint endlich vor dem großen Durchbruch ihrer Schauspielkarriere zu stehen.

Anna Hope erzählt sehr einfühlsam vom Leben und den Herausforderungen ihrer drei Protagonistinnen. Ihr gelingt es, die kleinen Anpassungen ans Älterwerden, die Trennungen und Wiederentdeckungen geschickt ineinander zu verschränken und an allen drei Lebenswegen zu untersuchen, was es bedeutet, im 21. Jahrhundert als Frau zu leben, sich zu verändern, ohne den Anspruch auf persönliches Glück zu vergessen. Dabei beleuchtet sie auch die Freundschaft von Cate, Hannah und Lissa genau, bei denen das Glück am Anfang klar verteilt scheint.

Für mich der realistischste Mitte-Dreißiger Roman, den ich seit langem gelesen habe. Vor allem, weil er nicht zwangsweise mit einem Happy End endet und Raum für die Grautöne und Nuancen des Lebens der drei Frauen lässt. Unbedingt lesen!

Margaret Atwoods „The Handmaids Tale” oder wie ich Hörbücher für mich entdeckte

Letztes Jahr habe ich mit großer Spannung „Die Zeuginnen“, den Nachfolgeroman des „Reports der Magd“ von Margaret Atwood erwartet. Der Hype war groß, die Erwartungen meinerseits auch. Und ich muss sagen: Sie wurden auch nicht enttäuscht. Atwood erzählt die Geschichte der Töchter Desfreds sowie von Tante Lydia konsequent weiter und hält den Spannungsbogen bis zu einem fulminanten Ende.

Beim Lesen habe ich mir direkt vorgenommen, noch mal den „Report der Magd“ zu lesen, um Atwoods Geschichte noch ein wenig länger genießen zu können und mir die Ausgangsgeschichte noch mal vor Augen zu führen.

Zeitgleich berichtete mir vor kurzem eine gute Freundin von Audible. Audible gehört zu Amazon und ist mit über 200.000 Titeln der größte Anbieter für Hörbücher weltweit. Sie schwärmte mit leuchtenden Augen von Hörbüchern und Podcasts, die sie beim Spazierengehen, Putzen oder kurz vorm Einschlafen hört. Vor allem die Audible Originals hätten es ihr angetan. Sie erzählte mir auch von der Special Edition von „The Handmaids Tale“ gelesen von Claire Danes. Damit hatte sie definitiv mein Interesse geweckt. Denn seit Homeland bin ich großer Claire Danes Fan. Bisher habe ich Bücher immer gern lieber selbst gelesen. Diesmal wollte ich einfach mal etwas Neues ausprobieren und mir „The Handmaids Tale“ einmal von Claire Danes vorlesen lassen.

Audible lässt einen den Service netterweise 30 Tage lang kostenlos testen. Da ich bereits Amazon Kunde bin, habe ich mit zwei Klicks die Audible Testmitgliedschaft abgeschlossen und das „The Handmaids Tale“ Hörbuch und die Audible App heruntergeladen. Dann konnte es auch schon losgehen.

Im Zug nach Leipzig startete ich dann voller Erwartung das Hörbuch. Und wurde nicht enttäuscht. Claire Danes hat eine wunderbar ruhige, klare Stimme, die in meiner Vorstellung perfekt zur Protagonistin Desfred (im englischen Original Offred) passt. Man wird direkt wieder in Desfreds Geschichte hineingesogen. Atwood entwirft das Bild einer fiktiven totalitären Republik Gilead, die von Männern regiert wird und in der Frauen keine Rechte haben. Sie werden entmündigt und in drei Gruppen eingeteilt: Ehefrauen von Führungskräften, Dienerinnen und Mägde. Letztere werden zur Fortpflanzung rekrutiert und sollen nach biblischem Vorbild für unfruchtbare Ehefrauen Kinder empfangen. Desfred ist eine dieser Mägde und schildert in ihren einfachen Worten von ihrem Leben und Leiden in Gilead. In dieser schwierigen, fast ausweglosen Situation entwickelt Desfred Hoffnung auf ein Entkommen, auf Liebe und ein freies selbstbestimmtes Leben.

Die einzelnen Kapitel werden von kleinen musikalischen Einspielern eingeleitet und Claire Danes dramatisch akzentuierte Performance erweckt Desfred mit all ihren Erlebnissen, Ängsten und ihrer Hoffnung in meinem Kopf. Es macht Spaß, dieses Kultbuch mit allen Sinnen wieder neu zu entdecken und die Geschichte noch einmal zu erleben. Zusätzlich enthält diese Special Edition auch noch ein neues Nachwort von Atwood und einen Essay von Valerie Martin.

Alles in allem ein tolles Hörerlebnis, dass bei mir auf jeden Fall die Lust auf mehr Hörbücher und -spiele geweckt hat. Gerade die Audible Originals, die oft noch Spezialelemente enthalten, sowie die Audible Podcasts (unbedingt mal bei „Bauerfeind hat Fragen“ reinhören) finde ich spannend und hörenswert.

30 Tage Audible testen

Solltet ihr jetzt auch auf den Geschmack gekommen sein, könnt ihr 30 Tage ganz unverbindlich testen ob und wie euch Hörbücher überhaupt gefallen. Danach hat man die Möglichkeit das monatlich kündbare Abonnement abzuschließen. Dabei kann man sich ein Hörbuch pro Monat aussuchen und zusätzlich Audible Originals Podcast unbegrenzt nutzen. Bei Nichtgefallen des Hörbuchs kann man es auch ganz einfach und entspannt umtauschen.

Dieser Beitrag entstand in freundlicher Zusammenarbeit mit Audible.

Meine Bücher im Januar

Ins Jahr 2019 bin ich mit guten Lesevorsätzen gestartet. Ich liebe es zu lesen. Lesen gibt mir unendlich viel Inspiration, Entspannung und neue Einsichten. Wenn ich könnte, würde ich noch mehr lesen. Aber in meinem Leben gibt es auch noch einen Job, Freunde, Familie und Sport. Deshalb ist meine Lesezeit leider nicht unendlich. Deshalb habe ich mir vorgenommen, meine Lesezeit mit noch mehr Intention und Fokus gestalten. Ich will meine Zeit nicht mehr mit Büchern verschwenden, die ich nur halbgut finde. Und ich möchte gern noch mehr Bücher von Autorinnen lesen, weil ich im letzten Jahr bereits viele tolle neue Autorinnen entdeckt habe und ihre Sujets und ihre Art, Geschichten zu erzählen, spannend finde.

Im Januar ging es dann auch gleich gut los. Ich habe vier neue Autorinnen und ja, auch zwei neuen Autoren für mich entdeckt.

Besonders beeindruckt hat mich Katerina Poladjans „Hier sind Löwen“, welches ich bereits neulich hier besprochen habe. Ich habe mich durch dieses Buch nich nur ganz wunderbar unterhalten sondern nebenbei auch viel über die Geschichte Armeniens und das Handwerk des Buchbindens gelernt.

Überrascht hat mich „My sister, the serial killer“ von Oyinkan Braithwaite, eine morbide und sehr witzige Erzählung über die Beziehung zweier Schwestern, die durch die wiederholten (zufälligen) Morde der einen unter Druck gerät.

Den „Gesang der Fledermäuse“ von Olga Tokarczuk habe ich ebenfalls schon eine eigene Rezension gewidmet, weil ich den Öko-Thriller mit einer von William Blake inspirierten Protagonistin interessant und vor allem sprachlich sehr versiert und schön fand.

Hier sind meine gelesenen Bücher im Januar:

Olga Tokarczuk, Gesang der Fledermäuse, Aus dem Polnischen von Doreen Daume, Kampa Verlag, Zürich, 307 Seiten, 24 Euro

Katerina Poladjan; „Hier sind Löwen“; Verlag S. Fischer, Frankfurt/Main 2019; 288 Seiten; 22 Euro

Oyinkan Braithwaite; „My sister, the serial killer“; Atlantic Books; 2019; £12.99

Gregor Sander; „Was gewesen wäre“; Wallstein Verlag; 2014; 236 Seiten; 10,99 Euro

Ulrich Tukur; „Der Ursprung der Welt“; Fischer Verlag; 2019; 304 Seiten; 22 Euro

Sigrid Nunez; „Der Freund“; Aufbau Verlag, Berlin 2020, 235 Seiten, 20 Euro

Katerina Poladjan „Hier sind Löwen“

„Deine eigene Geschichte ist dir nicht gleichgültig. Ich glaube dir das nicht. Mich interessiert die Geschichte des Buches, an dem ich arbeite. Und es ist doch gleich, ob es die eigene Großmutter war, die gelitten hat, oder eine Unbekannte. Das Leid ist das gleiche.“

Katerina Poladjan

Ein Buch ist der geheime Protagonist in Katerina Poladjans neuem Buch „Hier sind Löwen“. Es ist eine armenische Familienbibel, die die verschiedenen Erzählstränge miteinander verbindet. Da ist zum Einen die Geschichte der beiden armenischen Kinder Hrant und Anahid, die aus ihrem Heimatdorf fliehen und nur die Familienbibel mitnehmen können. Während ihrer Flucht gibt ihnen dieses Buch Trost, Erinnerung und am Ende sogar Nahrung.

Über die wunderschöne jahrhundertealte Familienbibel verknüpft Poladjan dann auch die Geschichte in der Gegenwart. Hier verschlägt es die Buchrestauratorin Helene Mazavian aus Berlin nach Jerewan. Ein Austauschprogramm hat die Deutsche mit dem hier so vertraut klingenden Nachnamen in die armenische Hauptstadt geführt, in der Absicht, den Umgang mit der speziellen Buchbindetechnik des Landes zu lernen.

Helen ist dann auch die Erzählerin dieses Buches. Sie nimmt uns mit nach Jerewan, in das kleine Historische Institut, in dem sie die Familienbibel erkundet und restauriert und dabei warmherzige, sehr zugewandte Armenier kennenlernt. Sie ist jedoch nicht nur in Jerewan, um eine neue Technik zu lernen, sondern auch, um sich anhand eines Fotos auf die Spuren ihrer Familie zu begeben. Hier schimmert dann auch auch Poladjans eigene Geschichte durch, die dem Buch durchaus autobiographische Züge verleiht.

Das Buch ist sehr fragmentarisch und zweigleisig erzählt. Poladjan reiht ausdruckstarke Bilder sehr sorgfältig aneinander. Das zeigt sich am Beispiel des alten Buchs ganz gut: In mühevoller Kleinarbeit dringt Helene vor, das Handwerk mit Messer, Nadel und Faden wird ergänzt um nahezu alchemistische Verfahren der Farbgewinnung oder der Reinigung von Illustrationen. Man lernt in diesem Buch viel über das Restaurieren von Büchern.

Katerina Poladjan lässt vieles in der Schwebe. Auch ihre Hauptperson wirkt unfassbar, und man fragt sich lange, ob das für das Buch spricht oder dagegen. Am Ende aber bleiben starke Eindrücke und Bilder, die „Hier sind Löwen“ sehr lesenswert machen.

Katerina Poladjan; „Hier sind Löwen“; Verlag S. Fischer, Frankfurt/Main 2019; 288 Seiten; 22 Euro

Best of 2019

2019 war ein wunderbar leseintensives Jahr für mich. Ich habe viele tolle neue Autorinnen entdeckt und einige neue Bücher von Lieblingsschriftstellerinnen gelesen. Am Ende sind es 75 Bücher geworden. Da fällt es natürlich schwer, die fünf besten und liebsten Bücher herauszustellen. Ich habe es für euch trotzdem getan. Hier ist meine #Top5 Liste aus 2019.

Karen Köhler „Miroloi“

Im Sommer erschien Karen Köhlers lang erwarteter erster Roman „Miroloi“. Selten wurde ein Buch so kontrovers diskutiert und in seiner Qualität beurteilt. Ich kann nur sagen: Bildet euch ein eigenes Urteil. Mich hat die Geschichte einer namenlosen jungen Frau, die sich auflehnt: Gegen die Strukturen ihrer Welt und für die Freiheit, sehr berührt. Ein Roman, in dem jedes Detail leuchtet und brennt. Die Rezension aus dem August findet ihr hier.

Karen Köhler „Miroloi“, Hanser Verlag, 2019, 464 Seiten, 24 Euro

Verena Boos „Kirchberg“

Verena Boos habe ich erst in diesem Jahr für mich entdeckt. Nach „Kirchberg“ kann ich es kaum erwarten, ihre anderen Bücher zu lesen. Boos erzählt die Geschichte von Hannah, die nach einem schweren Schicksalsschlag wieder in ihr Heimatdorf und das Haus ihrer Großeltern in Kirchberg zurückkehrt. Ohne die Geschichte vorwegzunehmen, ich habe mich Hannah sehr nahe gefühlt und das ist der wunderbar einfühlsamen Sprache Verena Boos zu verdanken. Am Ende musste ich sogar ein paar Tränen vergießen. Das ist mir sehr lange mit

keinem Buch mehr passiert. Hier geht es zur Besprechung.

Verena Boos, „Kirchberg“, Aufbau Verlag, Berlin 2017, 366 Seiten, 22 Euro

Margaret Atwood „The Testaments“

Seit ihrem Buch „Der Report der Magd“ vor 13 Jahren, war wohl kein Nachfolger mehr so sehnlichst erwartet worden wie „Die Zeuginnen“ (The Testaments). Ich muss sagen: Margaret Atwood hat es für mich auf jeden Fall geschafft, an die Klasse des Vorgängers anzuschließen. Sie erzählt temporeich und spannend und ich bin ihren drei Hauptfiguren gern gefolgt. Atwood schafft es für mich, den Erwartungen gerecht zu werden und die übergreifende Geschichte zu beenden. Ein klares „Must Read“ für mich. Rezension hier.

Margaret Atwood “The Testaments”; Chatto & Windus; 2019; £20

Sarah Kuttner, „Kurt“

Sarah Kuttners „Kurt“ ist ein schöne Liebesgeschichte und ein Plädoyer für eine Patchwork-Familie. Es ist ganz vieles: traurig, lustig, ein Gartenbauhandbuch, eine Liebeserklärung an Brandenburg, ein bisschen Gentrifizierungsbashing, ein Umgang-mit-Trauer-Buch, vor allem aber ist es wunderbar geschrieben. Die Besprechung gibt es hier.

Sarah Kuttner, „Kurt“, S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 2019, 240 Seiten, 20 Euro

Daniela Krien „Die Liebe im Ernstfall“

Bücher über Frauen Ende Dreißig, die sich gerade an einem Wendepunkt in ihrem Leben befinden, scheinen gerade sehr in Mode. Da ich mich selbst auch in dieser Phase befinde, üben diese Bücher eine natürliche Anziehungskraft auf mich aus. Daniela Krien nimmt uns mit in die Lebensentwürfe von fünf Frauen, deren Geschichten durch das Schicksal lose miteinander verbunden sind: Paula, Judith, Brida, Malinka und Jorinde. Aufgewachsen an den Grenzen der DDR, steht ihnen das Leben offen, obwohl es nicht immer so läuft wie geplant. Daniela Krien versucht keine Antworten auf diese Fragen zu geben, sondern sie erzählt einfach gute Geschichten. Unbedingt reinlesen. Rezension hier.

Daniela Krien: „Die Liebe im Ernstfall“. Diogenes Verlag, Zürich 2019. 288 S., 22,– Euro.

Olga Tokarczuk „Der Gesang der Fledermäuse“

Als im Oktober letzten Jahres der Literaturnobelpreis für 2019 und rückwirkend für 2018 verliehen wurde, ging die Preisträgerin 2018 Olga Tokarczuk und ihr Werk in der ganzen Diskussion um den zweiten Preisträger Peter Handke fast ein wenig unter. Zugegebenermaßen hatte auch ich bisher noch nichts von Olga Tokarczuk gelesen, mir aber fest vorgenommen, dass alsbald zu ändern. Meine Buchhändlerin empfahl mir dann den „Gesang der Fledermäuse“ als Einstieg.

Tokarczuk erzählt darin die Geschichte der wunderbar eigensinnigen Ich-Erzählerin Janina Duszejko, die auf einem Hochplateau an der polnisch-tschechischen Grenze lebt. Die ältere Frau lebt allein und kümmert sich im Winter um die Ferienhäuser der Städter. Ihre große Leidenschaft neben der Natur der Astrologie. Janina liebt es Horoskope zu berechnen für Menschen, denen sie begegnet. Im Dorf gilt sie als schrullige Alte, die sich gern bei der Polizei über Wilderer beschwert und mit „Samurai“, ihrem klapprigen Wagen durch die Gegend fährt.

Der Roman beginnt mit dem Tod ihres Nachbarn Bigfoot, eines brutalen Jägers und Einzelgängers, der an einem Rehknochen erstickt ist. In der nächsten Zeit häufen sich noch weitere Todesfälle. Immer scheinen Tiere am Tatort gewesen zu, was Janina vermuten lässt, dass sich die Tiere an ihren Peinigern rächen wollen.

Tokarczuks Erzählweise schwankt zwischen realistischen Schilderungen des polnischen Winters und philosophischen Überlegungen einer Protagonistin, die sehr der Natur und den Tieren im Wald zugewandt ist und nicht akzeptieren mag, dass sich der Mensch über die Natur stellt.

„Plötzlich war mir klar, warum die Hochsitze, die doch mehr an die Wachtürme eines Konzentrationslagers erinnern, Kanzeln genannt werden. Auf einer Kanzel stellt sich ein Mensch über die anderen Lebewesen und erteilt sich selbst die Macht über ihr Leben und ihren Tod.“

Olga tokarczuk

„Der Gesang der Fledermäuse“ ist ein schönes, fast magisches kleines Juwel von einem Buch. Mir bescherte es neben einem echten Lesegenuss, einer wunderbar sympathischen Heldin auch neue Denkanstöße. Es wird sicher nicht mein letztes Buch von Olga Tokarczuk gewesen sein.

Olga Tokarczuk, Gesang der Fledermäuse, Aus dem Polnischen von Doreen Daume, Kampa Verlag, Zürich, 307 Seiten, 24 Euro

Meine Bücher im Dezember

Der Dezember fliegt immer nur so an mir vorbei. Eine Weihnachtsfeier folgt auf die Nächste und zwischen Glühwein und Gänsebraten bleibt kaum Zeit, um noch ein Buch zu lesen. Zum Glück gibt es die Zeit zwischen den Jahren. Für mich ein Zeit für einen kleinen Kurzurlaub mit mir selbst und natürlich Büchern, die mir von lieben Freunden zu Weihnachten geschenkt wurden.

In letzter Zeit habe ich angefangen, mich intensiver mit Kunst, vor allem mit Kunst von ostdeutschen Künstlern zu beschäftigen. Da kam das Geschenk eines Freundes genau richtig: Julian Barnes „Kunst sehen“. Ein Buch voller Kunstgeschichten: Über Maler und ihre Exzentrik, über ihre Modelle, Musen, Bilder und Eskapaden. Toller weise ein Buch, dass sich auch für Kunsteinsteiger wie mich eignet. Barnes nimmt sich immer ein Kunstwerk und erklärt die Entstehungsgeschichte und auch die Merkmale der Epoche, für die es exemplarisch steht. Kann ich sehr empfehlen.

Außerdem habe ich endlich Madeline Millers „Circe“ gelesen. Die griechische Mythologie hat mich bisher abgeschreckt. Zu viele Akteure, zu viele weit verzweigte Geschichten. Doch Miller schafft das Kunststück, sich eine spannende weibliche Hauptfigur Circe herauszugreifen und ihre Geschichte neu und modern zu erzählen. Das ist packend, spannend und mit viel Empathie für die Protagonistin erzählt. Ein Pageturner.

Ein Buch, das ich in regelmäßigen Abständen immer wieder gern lese, ist John Streleckys „The why are you here cafe“. Gerade die Zeit zwischen Weihnachten und Silvester ist für viele eine Zeit der Selbstreflexion. Was habe ich dieses Jahr erreicht? Wo soll es im neuen Jahr hingehen. Da hilft Streleckys schmales Buch, sich auf die wichtigen Fragen zu besinnen und eigene Antworten zu finden und zu überprüfen.

Hier sind alle meine im Dezember gelesenen Bücher:

Julian Barnes; „Kunst sehen“; 352 Seiten; Kiepenheuer & Witsch, 25 Euro

Madeline Miller; „Ich bin Circe“; Eisele Verlag; 528 Seiten; 24 Euro

John Strelecky; „The why you are here cafe“; Piatkus; 144 Seiten; 8,49 Euro

Meg Wollitzer; „Die Zehnjahrespause“; Dumont, 2019; 448 Seiten; 24 Euro

Meine Bücher im November

Diesen Monat bin ich spät dran. Ich weiß. Die Vorweihnachtlichen Feierlichkeiten sind in vollem Gange, ein Weihnachtsessen jagt das Nächste. Da komme ich kaum zum Lesen, geschweige denn zum Schreiben. Ich freue mich schon jetzt auf die Zeit zwischen den Jahren und den Buchstapel hier neben meinem Bett.

Im November war ich für einige Tage in Südafrika. Es war mein erster Trip in dieses faszinierende Land. Passend dazu bekam ich „Benzin“ geschenkt. In Benzin erzählt Geltinger die Geschichte eines schwulen Pärchens auf einem Roadtrip durch Südafrika. Die beiden wollen ihre Beziehung kitten. Eines nachts fahren sie einen jungen, schwarzen Mann an und nehmen ihn mit. Darauf hin beginnt die Situation zu eskalieren. Ich war vom Plott sehr angetan, von der tatsächlichen Geschichte leider etwas weniger. Irgendwie konnte ich zu dieser Geschichte keinen Bezug aufbauen. Die Charaktere und ihre Entwicklung ließen mich weitestgehend kalt. Die Einblicke in Südafrika, die ich mir versprochen hatte, waren immerhin in Teilen vorhanden.

Zurück in Berlin zog es mich zu Lea Streisands neuem Buch „Hufeland, Ecke Bötzow“, vor allem auch, weil ich in der von ihr beschriebenen Gegend in Berlin wohne. Deshalb war dieses Buch neben der sehr amüsant und kurzweilig erzählten Geschichte vier Teenager zur Wendezeit auch eine Reise in die Vergangenheit und ich gehe mittlerweile mit offenen Augen und neuem Blickwinkel durch die Straßen des Bötzow-Viertels.

Wirklich nachhaltig begeistert hat mich Verena Boos „Kirchberg“. Boos erzählt die Geschichte von Hannah, die nach einem schweren Schicksalsschlag wieder in ihr Heimatdorf und das Haus ihrer Großeltern in Kirchberg zurückkehrt. Wir tauchen ein in ihre Kindheit in Kirchberg und in ihr Erwachsenenleben in Berlin und Italien. Hannah, die zeitlebens nach Akzeptanz und Liebe sucht und sie erst am Ende wieder in Kirchberg mit alten Freunden und neuen Menschen findet. Ich habe mich Hannah sehr nahe gefühlt und das ist der wunderbar einfühlsamen Sprache Verena Boos zu verdanken. Am Ende musste ich sogar ein paar Tränen vergießen. Das ist mir sehr lange mit keinem Buch mehr passiert.

Last but not least. Delia Owens “Der Gesang der Flusskrebse“. Eine schöne, runde und gut erzählte Geschichte, die ans Herz geht aber doch nie in Kitsch abgleitet. Ein Buch, dass man gut der Mutter oder auch der besten Freundin schenken kann.

Hier sind die Bücher aus dem November:

Verena Boos, „Kirchberg“, Aufbau Verlag, Berlin 2017, 366 Seiten, 22 Euro

Delia Owens „Der Gesang der Flusskrebse“; hanserblau; 464 Seiten; 22,00 Euro

Gunther Geltinger „Benzin“; Suhrkamp Verlag, Berlin. 378 Seiten, 24 Euro

Lea Streisand „Hufeland, Ecke Bötzow“; Ullstein; 224 Seiten; 20,00 Euro

Meine Bücher im Oktober

Der Oktober war ein leseschwacher Monat für mich. Nur drei Bücher habe ich geschafft und das ist doch eigentlich weit unter meinem normalen Schnitt für mich.

Die Hälfte des Oktobers habe ich auf Korsika verbracht und mich dort in diese raue und schöne Insel verliebt. Neben wandern und Strandzeit blieb nicht viel Zeit zum Lesen. Die wenige Zeit habe ich dann mit meinem ersten Murakami verbracht. Ein Freund empfahl mir, mit „Mr. Aufziehvogel“ zu starten. Leider muss ich sagen, dass mich seine Erzählweise nicht packt und mitnimmt. Ich habe es bis zur Mitte des Buches versucht und bin der Geschichte von Toru Takama gefolgt, dem erst der Kater entschwindet und den dann eines Tages seine Frau ohne Nachricht verlässt. Daraufhin beginnt er beide zu suchen und trifft auf der Suche einige sehr abgedreht abgründige Menschen. Immer wieder verlässt Murakamis Toru Okada deshalb die Realität und taucht in seiner unergründlichen Innenwelt unter. „Ich schließe die Augen und trenne mich von diesem meinem Körper mit den schmutzigen Tennisschuhen“.

Ich konnte Murakamis mystischem Realismus nicht viel abgewinnen. Es wird viel angedeutet, doch die Figuren bleiben dennoch vage. Vielleicht gebe ich Murakami später noch mal eine Chance.

Haruki Murakami, „Mister Aufziehvogel“, Dumont Verlag, 1998, 684 Seiten, 9.90 Euro

Mein zweites Buch im Oktober war leider nicht viel besser. Tommy Oranges Debütroman „Dort, Dort“ wurde ja sehr gut besprochen, als „Indigene Wirklichkeit jenseits der Klischees“. Der Aufbau des Buches, verschiedene indigene Menschen von ihrem Leben erzählen zu lassen und sie zum dramaturgischen Höhepunkt einem Powwow zusteuern zu lassen, ist gut.

Orange erzählt die Geschichten von zwölf Native Americans, die ein gewöhnliches städtisches Leben führen, als Postbotin, Drogenberater, Filmemacher. Wir begegnen strebsamen Frauen und Männern, verlässlichen Großmüttern, trinkenden Müttern, drogenverseuchten oder fettleibigen Jungs. Viele allerdings führen hässliche Leben, sind Opfer von Gewalt und Vergewaltigung. Es ist ihnen nicht gelungen, sich in einer heilen oder gar harmonischen Normalität einzurichten

Die Erzählung selbst war für mich nicht überzeugend. Zu wenig Raum für die einzelnen Figuren. Ich habe es zu Ende gelesen aber am Ende fast erleichtert weggelegt.

Tommy Orange; „Dort Dort“, Hanser Berlin, 2019; 288 Seiten, 22 Euro

Das dritte Buch im Oktober hat mich dann mit der Literatur wieder versöhnt. Obwohl Margaret Atwood sicher die höchsten Erwartungen zu erfüllen hatte. Seit ihrem Buch „Der Report der Magd“ vor 13 Jahren, war wohl kein Nachfolger mehr so sehnlichst erwartet worden wie „Die Zeuginnen“ (The Testaments). Auch ich konnte es kaum erwarten und habe es mir noch am Erscheinungstag am Flughafen in London gekauft.

Ich muss sagen: Margaret Atwood hat es für mich auf jeden Fall geschafft, an die Klasse des Vorgängers anzuschließen und die Geschichte lose zu Ende zu erzählen. Sie nimmt die Fäden des Reports der Magd wieder auf und lässt die Geschichte Jahre später wieder einsetzen und durch ihre drei Protagonistinnen Tante Lydia und die beiden Töchter von Ofred, Daisy (Nicole) und Agnes. Gilead existiert immer noch aber der totalitäre Staat bekommt langsam Risse.

Atwood erzählt temporeich und spannend und ich bin ihren drei Hauptfiguren gern gefolgt. Sie schafft es, den Erwartungen gerecht zu werden und die übergreifende Geschichte zu beenden. Ein klares „Must Read“ für mich.

Margaret Atwood “The Testaments”; Chatto & Windus; 2019; £20