Olga Tokarczuk „Der Gesang der Fledermäuse“

Als im Oktober letzten Jahres der Literaturnobelpreis für 2019 und rückwirkend für 2018 verliehen wurde, ging die Preisträgerin 2018 Olga Tokarczuk und ihr Werk in der ganzen Diskussion um den zweiten Preisträger Peter Handke fast ein wenig unter. Zugegebenermaßen hatte auch ich bisher noch nichts von Olga Tokarczuk gelesen, mir aber fest vorgenommen, dass alsbald zu ändern. Meine Buchhändlerin empfahl mir dann den „Gesang der Fledermäuse“ als Einstieg.

Tokarczuk erzählt darin die Geschichte der wunderbar eigensinnigen Ich-Erzählerin Janina Duszejko, die auf einem Hochplateau an der polnisch-tschechischen Grenze lebt. Die ältere Frau lebt allein und kümmert sich im Winter um die Ferienhäuser der Städter. Ihre große Leidenschaft neben der Natur der Astrologie. Janina liebt es Horoskope zu berechnen für Menschen, denen sie begegnet. Im Dorf gilt sie als schrullige Alte, die sich gern bei der Polizei über Wilderer beschwert und mit „Samurai“, ihrem klapprigen Wagen durch die Gegend fährt.

Der Roman beginnt mit dem Tod ihres Nachbarn Bigfoot, eines brutalen Jägers und Einzelgängers, der an einem Rehknochen erstickt ist. In der nächsten Zeit häufen sich noch weitere Todesfälle. Immer scheinen Tiere am Tatort gewesen zu, was Janina vermuten lässt, dass sich die Tiere an ihren Peinigern rächen wollen.

Tokarczuks Erzählweise schwankt zwischen realistischen Schilderungen des polnischen Winters und philosophischen Überlegungen einer Protagonistin, die sehr der Natur und den Tieren im Wald zugewandt ist und nicht akzeptieren mag, dass sich der Mensch über die Natur stellt.

„Plötzlich war mir klar, warum die Hochsitze, die doch mehr an die Wachtürme eines Konzentrationslagers erinnern, Kanzeln genannt werden. Auf einer Kanzel stellt sich ein Mensch über die anderen Lebewesen und erteilt sich selbst die Macht über ihr Leben und ihren Tod.“

Olga tokarczuk

„Der Gesang der Fledermäuse“ ist ein schönes, fast magisches kleines Juwel von einem Buch. Mir bescherte es neben einem echten Lesegenuss, einer wunderbar sympathischen Heldin auch neue Denkanstöße. Es wird sicher nicht mein letztes Buch von Olga Tokarczuk gewesen sein.

Olga Tokarczuk, Gesang der Fledermäuse, Aus dem Polnischen von Doreen Daume, Kampa Verlag, Zürich, 307 Seiten, 24 Euro

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